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Boden mit Desinfektionsmittel belastet

Auch im Wald werden Rückstände von Desinfektionsmitteln nachgewiesen.


Desinfektionsmittel sind allgegenwärtig. Eine Studie zeigt, dass ihre Wirkstoffe sich fast überall im Boden nachweisen lassen – und warnt vor einem negativen Effekt auf die Zahl der Antibiotikaresistenzen.

Ein Forscherteam der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen und des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) ist der Frage nachgegangen, welchen Effekt der Gebrauch von Desinfektionsmitteln auf die Umwelt hat. In der breit angelegten Studie untersuchten sie das Vorkommen wichtiger Wirkstoffe von Desinfektionsmitteln und Tensiden, den Quartären Alkylammoniumverbindungen (kurz QAAV), in hessischen Böden. Das Untersuchungsgebiet erstreckte sich über das gesamte Bundesland, das mit einer Fläche von 21.225 Quadratkilometern etwa 6 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands ausmacht.

Die Proben umfassten 52 Oberbodenproben verschiedener Landnutzungsarten: 26 Acker-, 18 Grünland-, sechs Wald- und zwei Weinbergproben. An den Waldstandorten wurden zusätzlich zu den Bodenproben sechs Proben der organischen Schichten analysiert. Weiterhin wurde eine Probe eines Hochwassersediments aus dem Rhein untersucht, das sich auf einem der Grünlandstandorte abgelagert hatte. Ergänzend wurden vier zusätzliche Proben von Schwemmlandböden aus anderen Auenstandorten (eine Acker- und drei Grünlandproben) sowie zwei Proben an einem Grünlandstandort entnommen, der bei Starkregenereignissen regelmäßig mit abwasserhaltigem Wasser überflutet wird.

Ergebnis: In 97 Prozent der 65 untersuchten Bodenproben konnten QAAV nachgewiesen werden. Dabei zeigte sich, dass sowohl Acker- als auch Grünland-, Wald- und Weinbaustandorte mit dem Fremdstoff belastet waren, schreiben die AutorInnen. Die Gehalte der Desinfektionsmittel überschritten teilweise Werte von 1 Milligramm pro Kilogramm „und liegen damit zwei bis drei Größenordnungen oberhalb von Gehalten, wie sie für Arzneimittel und Antibiotika in Böden nachgewiesen wurden”.

Problematisch an QAAV und deren Vorkommen in der Umwelt ist nach Angaben der AutorInnen, dass sie Antibiotikaresistenzen verursachen können. „Eine Verbreitung dieser Desinfektionsmittelgruppe in Böden ist deshalb kritisch zu sehen und könnte – wie der missbräuchliche Einsatz von Antibiotika – das Problem der Antibiotikaresistenzen zusätzlich verschärfen”, schreiben sie. Da die Stoffgruppe der QAAV analytisch nur schwer zugänglich ist, stehe die Forschung zu deren Verbreitung und Effekten in Böden noch ganz am Anfang.

Überraschend war für die Forschenden, dass QAAV selbst in Waldböden nachgewiesen werden konnten, obwohl dort ein unmittelbarer Eintrag durch Überschwemmungen oder beispielsweise über Gülle-, Klärschlamm- oder Pestizidausbringung – wie auf landwirtschaftlichen Flächen – allgemein nicht gegeben ist. „Ob und in welcher Weise die teils sehr hohen QAAV-Gehalte in hessischen Böden zu Resistenzen in Mikroorganismen und Pathogenen beitragen, ist noch nicht bekannt.”


Alle Ergebnisse sind im Fachmagazin Science of the Total Environment publiziert.

Kai Jansen, Christian Mohr, Katrin Lügger et al., Widespread occurrence of quaternary alkylammonium disinfectants in soils of Hesse, Germany, Science of The Total Environment, Volume 857, Part 1, 2023, https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2022.159228



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